Bericht zum antifaschistischen Gedenken an die Pogromnacht 1938

Die Nacht zum 10. November 1938 ging als Reichspogromnacht in die Geschichte ein. Synagogen wurden angezündet, jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört, Jüd:innen offen angegriffen, verschleppt und ihrer Menschlichkeit beraubt. Die Pogrome in dieser Nacht bildeten den Auftakt zur systematischen Verfolgung und Vernichtung der in Deutschland lebenden jüdischen Minderheit, die in den Gaskammern und Verbrennungsöfen endete.

Wir erinnerten in der Villinger Innenstadt an die schrecklichen Verbrechen und Opfer dieser Nacht.

Ab 18 Uhr versammelten sich ungefähr 30 Personen bei leiser Musik in angemessener Stimmung auf dem Latschariplatz, um von dort aus zum Gedenken zu gehen. Mit einem Infotisch und zwei großen Aufstellern wollten wir Passant:innen und Kundgebungsteilnehmer:innen über die Geschehnisse der Nacht, und die geschichtliche Einordnung aufklären.

Gegen 18.45 zogen wir gemeinsam in die Gerberstraße, wo 1938 der Villinger Betsaal angezündet und der Hauseigentümer misshandelt wurde.

Hier, vor dem Brunnen mit einer Gedenkinschrift, wurde die Stimmung durch die Gedenkkundgebung aufgegriffen. Nach einem überleitenden Lied der Microphone Mafia mit Esther Bejanaro folgte ein Zeitzeuginnenbeitrag oder Omas gegen Rechts, in welchem die Ereignisse dieser Nacht durch die Augen einer fünfjährigen geschildert wurden und ihre späteren Gedanken im Leben dazu zur Sprache kamen. So ist es ihr schwer gefallen, zu glauben, dass die Menschen von nichts wussten, weil es so offensichtlich war, welche Gräuel verübt wurden und dass es wichtig ist, über das zu sprechen, was passiert ist und uns das immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und aufzuklären.

Das war auch einer der Punkte, die im nachfolgend eingespielten Redebeitrag von Esther Bejanaro ausgedrückt wurden. Die Überlebende des KZ Auschwitz war ihr Leben lang überzeugte Kommunistin und Antifaschistin und Ehrenvorsitzende des VVN-BdA, sie sprach viel an Schulen über den deutschen Faschismus und sah im Kampf gegen diesen gesellschaftlichen Hass die Jugend als Schlüssel. In ihrer Rede hat Esther „Erinnern heißt Verändern“ gesagt.

Für uns als Antifaschist:innen heißt das, dass wir diese Gesellschaft verändern müssen, hin zu einer solidarischen Gesellschaft, in der wir Lohnabhängige gleich sind und in der wir Faschisten, Rassisten und Verschwörungstheoretikern keine Chance lassen.

Die gesamte Kundgebung stand im Rahmen dieses Satzes. Sie wurde durch ein weiteres Lied von Esther Bejanaro und der Microphone Mafia über den Kampf gegen Ausgrenzung und Rassismus abgerundet, während wir einen Blumenkranz, Kerzen und rote Nelken an der Gedenkstätte niederlegten.

Als die Kundgebung beendet war, schwiegen die ca. 50 Teilnehmenden noch eine Weile in stiller Andacht.

Die Anwesenden sprachen teilweise ihre positiven Gefühle über die Gedenkveranstaltung aus. Viele Teilnehmer:innen freuten sich über unsere Gedenkveranstaltung. Die Stadt hatte ihr Gedenken auf Grund von Corona abgesagt – auch wenn zwei Tage vorher der Verkaufsoffene Sonntag stattfinden durfte.