Bericht: Hanau – Gedenken heißt kämpfen

Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin. Das sind die Namen derer, die am 19. Februar in Hanau ermordet wurden. Um diesen Menschen zu gedenken haben wir am 3. Jahrestag des rechten Anschlags eine Veranstaltung im Linken Zentrum Schwenningen gemacht, und unser Gedenken anschließend in den öffentlichen Raum getragen.

In unserer Rede im Linken Zentrum zeichneten wir zunächst den Anschlag nach. Vorallem gingen wir auf den Rassismus ein, der in der Polizei und anderen staatlichen Institutionen, tief verwurzelt ist. Ein Beispiel wäre hier der verschlossene Notausgang in einer der Shishabars in der in dieser Nacht Menschen gestorben sind. Die Polizei hatte den Notausgang abgesperrt, damit im Falle einer ihrer rassistischen Razzien niemand fliehen konnte. Der Bruder von Said Nesar Hashemi, Etris Hashemi, sagte nach der Tat über den Notausgang: „Ich kann jetzt nicht sagen, dass alle das geschafft hätten. Aber es hätten auf alle Fälle einige geschafft da rauszurennen.“

Ein anderes Beispiel ist der Umgang der Polizei mit den Angehörigen der Ermordeten. Die Eltern von Vili Viorel Păun wurden zunächst nicht über den Verbleib ihres Sohnes aufgeklärt, sondern erst am nächsten Tag von einer Polizeistation zur anderen geschickt. Am Ende wurden sie nur mit der Info, dass ihr Sohn ermordet wurde, nach Hause geschickt. Was genau mit ihrem Sohn passiert ist und was mit seinem Körper passiert ist mussten sie sich selber erklären.
Die Eltern von Mercedes Kierpacz wurden vom SEK mit Waffen bedroht während sie warteten bis man sie über das Schicksal ihrer Tochter aufklärte. Das SEK lies erst von ihnen ab, als andere Beamte ihnen mehrmals gesagt haben, dass sie Angehörige sind.

Über die selbe SEK-Einheit wurde später bekannt, dass sie fast alle in rechten Chatgruppen aktiv waren.
Rechte Chatgruppen, rassistiche Razzien, Kontrollen und Festnahmen, das alles kriegt man fast täglich mit. Das zeigt, wie tief der Rassismus in diesem Staat verwurzelt ist.

Dass das aber kein Zufall ist, sondern mit diesem System zusammenhängt zeigten wir in unserer Rede auch auf. Schließlich darf man, wenn man über rassistische und faschistische Anschläge wie in Hanau redet, nicht vergessen wer den Nährboden dafür bereitet:
Auf die wirtschaftlichen und sozialen Krisen und die anderen Probleme, die der Kapitalismus mit sich bringt, präsentieren uns Medien wie die BILD und rechte Politiker:innen und Organisationen scheinbar einfache Antworten: Das Problem sei nicht das System, das Problem seien Migrant:innen und Geflüchtete. Auf diese Weise breitet sich der Rechtsruck in Deutschland, in Europa, und fast weltweit aus und wird weiter befeuert.


Shisha-Bars, wie die in denen am Abend des 19. Februar 2020 in Hanau geschossen wurde, wurden schon vorher von Politiker:innen der AfD, aber auch der CDU und der CSU als gefährlich dargestellt. Sie waren und sind es, die von Parallelgesellschaften reden, die gegen den Islam hetzen, die bei jeder Gelegenheit mit Worten gegen Migrant:innen schießen und die den Rechtsruck in Deutschland maßgeblich voran treiben.

Wir haben dieses Jahr das Motto „Hanau – Gedenken heißt kämpfen“ gewählt. Denn für uns ist es wichtig, aus den Umständen, die Hanau ermöglicht haben zu lernen. Wir müssen die Trauer und Wut, die wir über rechte Anschläge in uns tragen, auf die Straße tragen. Und wir müssen erkennen, dass wir im Kampf gegen Rassismus, gegen rechte Organisierung, gegen faschistischen Terror und gegen diesen Rechtsruck nicht auf diesen Staat vertrauen können. Das wir uns selbst gegen diese rechte Gewalt schützen und verteidigen müssen. Das war auch das besondere an Hanau, hier setzten im Anschluss viele Tausende spontan auf den Straßen ein Zeichen und sagten: „Es reicht.“

Am Ende unserer Rede zogen wir unsere Schlüsse aus dem vorher Gesagten: Um die Gefahr von rechtem Terror und Faschismus endgültig bannen zu können, müssen wir uns organisieren, eine eigene Perspektive zu diesem System schaffen und daran arbeiten die bestehenden Verhältnisse zu verändern.

Nach diesem theoretisch-einordnenden Part haben wir gemeinsam an die Ermordeten gedacht. Wir hängten Plakate mit den Gesichtern der Menschen auf, und lasen über alle ein paar Sätze vor. Wir gingen auf ihre Lebensumstände ein, ihre Träume und wie sie gelebt hatten, und hatten einige Zitate über sie von ihren Familien und Freunden rausgesucht.

Der Umstand, dass unser Gedenken dieses Jahr zu einem großen Teil im Linken Zentrum stattfand, war Fastnacht geschuldet. Wir hatten gehofft einen Weg zu finden wie wir das Gedenken würdig in der Öffentlichkeit durchführen können, mussten uns aber eingestehen dass das mit Betrunkenen und Feiernden so nicht möglich gewesen wäre. Wir finden es aber trotzdem wichtig das Gedenken in den öffentlichen Raum zu tragen, schließlich ist das der Raum wo die Politik und die Auseinandersetzung mit Rassismus und rechter Gewalt stattfindet. Und so sind wir im Anschluss an die Saalveranstaltung noch losgezogen an einen Ort, der ein wenig abseits vom Fastnachtstrubel liegt, und haben die Bilder der Ermordeten plakatiert.